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Steuerstrafrecht

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Vollendete Steuerhinterziehung

Rechtsgebiet:
Steuerstrafrecht
Stichworte:
Steuerstrafrecht
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Rechtsnatur

Tätigkeitsdelikt mit vollendeter Schädigung des Fiskus.

Voraussetzungen vollendete Steuerhinterziehung

Voraussetzungen der vollendeten Steuerhinterziehung:

  • Rechtskräftige Einschätzungsverfügung oder zu Unrecht unterbliebene Veranlagung
    • Delikt der Steuerhinterziehung ist erst vollendet, wenn die gemäss rechtskräftiger Veranlagung zu erbringende Steuerleistung niedriger ist als jene, die bei korrekter Versteuerung erbrecht werden müsste
  • Pflichtverletzung als Steuerpflichtiger:
    • Nichteinreichen oder Einreichen einer unwahrheitsgemässen oder unvollständigen Steuererklärung
    • Unterlassung oder unvollständiger Abzug der Steuer des an der Quelle Verpflichteter
    • Erwirkung einer unrechtmässigen Steuerrückerstattung oder eines unrechtmässigen Steuererlasses
  • Vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln oder Unterlassen
  • Nichteintritt der Verjährung (10 Jahre)
    • Unterbesteuerung bzw. (teilweiser) Steuerausfall
    • Nicht oder nicht vollständige Steuerdeklaration des Steuerpflichtigen

Entdeckung unversteuerter Tatbestände durch Steuerbehörden

Entdeckt die Steuerbehörde verheimlichte steuerpflichtige Tatbestände im Veranlagungsverfahren und korrigiert die Deklaration des Steuerpflichtigen, ist das Steuerhinterziehungsdelikt nicht vollendet; es liegt aber eine strafbare versuchte Steuerhinterziehung vor (vgl. DBG 176)

Vgl. Steuerhinterziehung: Versuchte Steuerhinterziehung

Subjekte

Allgemein

Die vollendete Steuerhinterziehung begeht:

  • wer vorsätzlich oder fahrlässig bewirkt, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterbleibt oder eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist;
  • wer als Verpflichteter den Quellensteuerabzug nicht oder nicht vollständig vornimmt
  • wer eine unrechtmässige Steuerrückerstattung oder einen ungerechtfertigten Steuererlass bewirkt.

Vgl. DBG 175 Abs. 1.

Nach Personen

Als delikts- und straffähige Personen gelten bei der vollendeten Steuerhinterziehung:

  • Steuerpflichtiger
    1. natürliche Person
    2. Juristische Person
      1. wenn mit Wirkung für diese Steuern hinterzogen wurden (vgl. DBG 181)
      2. wobei die persönliche Bestrafung der Organe, Mitarbeiter und Vertreter wegen Teilnahme vorbehalten bleibt (vgl. DBG 181 Abs. 3)
  • im Falle der Quellensteuer-Hinterziehung der Schuldner, der zum Steuerabzug verpflichtet ist

Unternehmen

Die Nichtdeklaration von geldwerten Leistungen bei Kapitalgesellschaften und ungenügende Belastungen von Privatkonti bei Personengesellschaften können den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen, sofern dieses Nichtdeklarieren eine Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen darstellt:

  • Gewinnvorwegnahmen in Form von nicht deklarierten vereinnahmten Geschäftserträgen
    1. Erfüllung des des objektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung, ev. sogar des Steuerbetrugs
  • Andere nicht deklarierte geldwerte Leistungen
    1. Privater Bereich betreffend
      1. Objektiver Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt
    2. Teils privater und teils geschäftlicher Bereich betreffend (gemischter Charakter)
      1. Beruht die Annahme einer nicht deklarierten geldwerten Leistung auf einer unterschiedlichen Einschätzung des geschäftlichen Teils von Steuerbehörde und Steuerpflichtigem
        1. Eine nicht deklarierte geldwerte Leistung stellt mangels Pflichtverletzung keine Steuerhinterziehung.

Nachsteuer

Der Steuerpflichtige hat für den hinterzogenen Betrag die Nachsteuern samt Zinsen zu bezahlen.

Strafe

Nebst der Nachsteuer hat der Steuerpflichtige eine Busse zu entrichten; die Busse beträgt in der Regel:

  • das Einfache der hinterzogenen Steuer.

Die Busse kann

  • bei leichtem Verschulden
    1. Ermässigung bis auf 1/3
  • bei schwerem Verschulden
    1. Erhöhung bis auf das Dreifache.

Vgl. DBG 175 Abs. 2.

Ehegatte

In tatsächlich und rechtlich ungetrennter Ehe lebende Ehegatten werden nur für die Hinterziehung ihrer eigenen Steuerfaktoren gebüsst (vgl. DBG 180).

Vorbehalten bleiben die Sanktionsnormen zur Anstiftung, Gehilfenschaft und Mitwirkung (vgl. DBG 177).

Die Mitunterzeichnung der nicht korrekten Steuererklärung gilt für sich alleine noch nicht als Steuerwiderhandlung nach DBG 177.

Anstiftung / Gehilfenschaft

Siften Teilnehmer den Steuerpflichtigen zur Steuerhinterziehung an (Anstiftung), leisten sie Hilfe (Gehilfenschaft) oder bewirken sie als Vertreter des Steuerpflichtigen eine Steuerhinterziehung oder wirken an einer solchen mit, werden sie ebenfalls mit Busse bestraft (vgl. DBG 177).

Strafbehörde

Für die Durchführung des Steuerstrafverfahrens ist die kantonale Steuerbehörde zuständig, wobei die ESTV die Einleitung des Strafverfahrens verlangen kann (vgl. DBG 183 Abs. 3).

Strafverfolgungs-Verjährung

Das Recht auf Strafverfolgung wegen vollendeter Steuerhinterziehung verjährt 15 Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, für welche der Steuerpflichtige nicht oder unvollständig veranlagt wurde (Vgl. DBG 184 Abs. 1 lit. b i.V.m. StGB 333 Abs. 6 lit. c).

Exkurs: Selbstanzeige / Vereinfachte Nachbesteuerung in Erbfällen

  • Definition
    1. Selbstanzeige =   Steuerpflichtiger meldet dem Steueramt aus eigenem Antrieb ausdrücklich oder sinngemäss, dass eine frühere Veranlagung zu tief ausgefallen ist, weil die Steuererklärung versehentlich oder absichtlich nicht korrekt ausgefüllt wurde
    2. Vereinfachte Erbennachbesteuerung =   Privilegierte Nachbesteuerung unversteuerter Einkünfte und nicht deklarierter Vermögen des Erblassers
  • Grundlage
    1. DBG 175 Abs. 3 (natürliche Personen 1x im Leben) eine SA)
    2. DBG 181a (juristische Personen)
    3. DBG 153a (Vereinfachte Nachbesteuerung in Erbfällen)
    4. BG vom 20.03.2008 über die Vereinfachung der Nachbesteuerung in Erbfällen und die Einführung der straflosen Selbstanzeige (Inkraftsetzung: 01.01.2010)
    5. VStG 23
    6. StHG
  • Abgrenzung
    1. Vereinfachte Nachbesteuerung in Erbschaftsfällen
      1. Steuern: Vereinfachte Erbennachbesteuerung
  • Rechtsnatur
    1. Rechtswohltat (Steueramnestie)
  • Ziel
    1. Anreiz, bisher versteckte Vermögen und Einkünfte der Besteuerung zuzuführen
  • Selbstanzeige
    1. Von der Selbstanzeige betroffene Steuern
      1. Die Selbstanzeige-Grundlagen gelten für:
        1. Direkte Bundessteuer (DBSt)
        2. Einkommens- und Vermögenssteuern der Kantone und Gemeinden
      2. Ausnahme:
        1. Der Steuerpflichtige muss für eine Wirkungserstreckung auch auf die Verrechnungssteuer eine separate Selbstanzeige machen
      3. Beiseiteschaffen von Nachlasswerten im Inventarverfahren
        1. Auch hier ist eine straflose Selbstanzeige möglich, aber ebenfalls nur einmal im Leben (vgl. DBG 178 Abs. 4)
    2. Von der Selbstanzeige nicht betroffene Steuern und Abgaben
      1. zB Mehrwertsteuer (MWST)
      2. zB Verrechnungssteuer (VSt)
      3. AHV-/IV-Abgaben
    3. Vorteile
      1. Im Unterschied zu einer Amnestie gilt für die Selbstanzeige folgendes:
        1. Straflosigkeit
          1. Die Straflosigkeit wird nur unter Bedingungen (Voraussetzungen) gewährt (siehe nachfolgend)
        2. Gewährung einer Selbstanzeige
          1. jeder Person
          2. nur 1x im Leben
        3. Unbefristete Selbstanzeige-Möglichkeit
          1. Die Selbstanzeige wird unbefristet gewährt, anders als bei einer allgemeinen Steueramnestie, die nur für einen kurzen Zeitraum wirken würde
    4. Zeitraum
      1. unbefristet, ein Mal im Leben
    5. Voraussetzungen
      1. Die Voraussetzungen einer straflosen Selbstanzeige sind:
        1. Freiwillige Selbstanzeige des Steuerpflichtigen
        2. Erstmalige Selbstanzeige des Steuerpflichtigen
        3. Steuerhinterziehung darf den Steuerbehörden nicht bereits bekannt sein
        4. Kooperation des Steuerpflichtigen mit den Steuerbehörden bei der Nachsteuer-Festsetzung
        5. Ernsthaftes Bemühen des Steuerpflichtigen bei der Bezahlung der dadurch entstehenden Nachsteuer.
      2. Der sich selbst anzeigende Steuerpflichtige bei der Selbstanzeige keine Fehler machen:
        1. Vollständige Einreichung aller Nachdeklarationsdaten und der dazugehörigen Belege
          1. Steuerbehörde sollte ohne weiteres verfügen können
          2. Im Falle der Notwendigkeit einer Deklarationsergänzung greift die Selbstanzeige-Wirkung nicht.
    6. Subjekte
      1. Steuerpflichtige
        1. Natürliche Person
          1. Meldet der Steuerpflichtige seine Steuerhinterziehung selber an, so wird er beim ersten Mal dafür nicht bestraft
          2. Die Straflosigkeitswirkung wird, auf alle an der Steuerhinterziehung Beteiligten ausgedehnt, unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige oder die Beteiligten (Anstifter, Gehilfen, Vertreter etc.) von sich aus anzeigen
          3. Möchten der Steuerpflichtige (als Haupttäter) und der Teilnehmer (Anstifter, Vertreter) gemeinsame straflos ausgehen, müssen sie die Selbstanzeige gleichzeitig Einreichen; nur so können sie – einmalig – der Bestrafung und der solidarischen Haftung für die hinterzogenen Steuern entgehen
        2. Juristische Person
          1. Auch bei juristischen Personen ist eine straflose Selbstanzeige möglich, unter Einhaltung
            1. Übrige Bedingungen der Neuheit
            2. Mitwirkung
            3. Bezahlung
          2. Ebenso können die Organe und Vertreter straffrei ausgehen und es entfällt ihre persönliche Solidarhaftung für die Nachsteuerschulden der juristischen Person
      2. Anstifter
      3. Gehilfen
      4. Vertreter
    7. Weitere Straffreiheiten
      1. Bei der erstmaligen Selbstanzeige bleibt ausserdem frei:
        1. weitere Straftaten, die im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung stehen, namentlich:
          1. Keine Strafverfolgung wegen Steuerbetrugs
          2. Keine Strafverfolgung wegen Urkundenfälschung gemäss StGB 251 (vgl. DBG 186 Abs. 3)
          3. Keine Strafverfolgung wegen Veruntreuung von Quellensteuern (vgl. DBG 187 Abs. 2)
    8. Nachsteuerbezug
      1. Die anerkannte Selbstanzeige des Steuerpflichtigen zeitigt für ihn folgende finanzielle Folgen:
        1. Einforderung der Nachsteuer (bis zu zehn Jahre zurück)
        2. Verzugszins
    9. Zuständigkeit
      1. Kantonale Steuerbehörden
    10. Weitere Selbstanzeigen
      1. Jede weitere Selbstanzeige wird – wie bisher – mit einer Busse von einem Fünftel der hinterzogenen Steuern bestraft (vgl. DBG 175 Abs. 4)
  •  
  • Vereinfachte Nachbesteuerung in Erbfällen
    1. Zeitraum (Zurückliegende Steuerperioden)
      1. Verkürzung der Nachdeklarationsphase
        1. Durch die vereinfachte Nachbesteuerung wurde die Erhebungsfrist der Nachsteuer auf Einkünften und Vermögen, die der Erblasser nicht deklariert hatte, verkürzt
      2. 3 Steuerperioden
        1. Massgebend sind nicht die letzten zehn, sondern nur noch die letzten drei abgelaufenen Steuerperioden vor dem Todesjahr des Erblassers
    2. Voraussetzungen
      1. Von einer vereinfachten Nachbesteuerung können profitieren:
        1. Erben, welche die Steuerhinterziehung des Erblassers sofort offenlegen
        2. Erben, die ihre Mitwirkungspflicht erfüllen
          1. Mitwirkung bei der Errichtung eines vollständigen und genauen
            1. Nachlassinventars bzw. Sicherungsinventar
            2. Öffentlichen Inventars
      2. Keine Hinterziehungskenntnis der Steuerbehörden
        1. Wirkung der vereinfachten Nachbesteuerung für die Erben nur, wenn die Steuerbehörden noch keine Kenntnis vom hinterzogenen Einkommen oder Vermögen hatten
    3. Subjekte
      1. Anzeige-legitimiert bzw. –belastet sind
        1. Erben
        2. Willensvollstrecker
      2. Nicht anzeige-legitimiert sind Vermächtnisnehmer, da ihre Beteiligung am Nachlass nicht dinglicher, sondern bloss obligatorischer Natur ist
    4. Zuständigkeit
      1. Kantonale Steuerbehörden

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